Die Laus im scharlachroten Lippenstift
Wie ein Parasit zum begehrten Farmtier für die Färbeindustrie wurde
Eigentlich sind sie nur Saft saugende Parasiten, doch mit Cochenille- und Kermesläusen lassen sich wasserlösliche, bitter schmeckende, leuchtend rote Farbstoffe herstellen. Das Farbspektrum reicht vom Karmin- bis zum Scharlachrot. Früher auf riesigen Kakteenfarmen gezüchtet, finden sich heute die zermahlenen Läuse nur noch in einigen natürlich gefärbten Stoffen und Lebensmitteln wie Campari und Lippenstift wieder.
Früher als Farbstoff heiß begehrt findet das aus der Kermeslaus gewonnene intensive Rot heute nur noch in Lippenstiften, Gummibärchen und Campari Verwendung.
Schon in der Bibel wird sie als „Scharlachbeere“ erwähnt, doch in Wirklichkeit ist sie ein Tier: die Kermeslaus. Sie lebt im Mittelmeerraum als Parasit auf der Kermeseiche. Mit ihr färbten die Ägypter, Griechen und Römer feine Stoffe wie Wolle und Seide sowie Leder in einem herrlichen Rot. Für grobe Stoffe tat es auch das billigere, weniger farbintensive Krapp aus der gleichnamigen Pflanze. Denn ähnlich wie das Purpurrot konnten sich nur wenige diesen leuchtenden Farbton leisten, da für einen Mantel oder ein Kleid Tausende der stecknadelkopfgroßen Schildläuse eingesammelt werden mussten – eine sehr zeitintensive Arbeit, da dazu viele Kermeseichen nach den Läusen abgesucht werden mussten. Die Kermesläuse wurden dann abgepflückt, in der Sonne getrocknet, gemahlen und über Nacht in Wasser eingeweicht.
Einen richtigen Boom erlebte das Karminrot mit der Eroberung Amerikas durch die Spanier. Sie brachten ab 1532, nach der Unterwerfung der Azteken, die amerikanische Cochenillelaus von Mexiko nach Europa. Und die auf den Opuntien genannten Feigenkakteen lebende Verwandte der Kermeslaus entwickelte sich neben Gold und Silber zum wahren Exportschlager der Spanier. Mit ihrem höheren Farbstoffgehalt verdrängte die Cochenillelaus bald die heimische Kermeslaus.
Ab 1824 wurden sogar auf den Inseln Lanzarote und Fuerteventura eigens Kakteen für riesige Lausfarmen gepflanzt. Noch im Jahr 1870 exportierten die Kanarischen Inseln 3.000 Tonnen Cochenille. Mit der Entdeckung der künstlichen Farbstoffe brach der Läusemarkt jedoch zusammen. Inzwischen ist die Cochenillelaus auf den Kanarischen Inseln gemeinsam mit ihren stacheligen Wirtspflanzen überwiegend verwildert.