19.5.2019
In Zambesi kaufe ich Brot und werde im Bäckerladen wieder ein mal angesprochen mit “What did you bring for us?” Das ist im Westen Sambias ganz oft der zweite Satz nach der Begrüßung. Als der nächste Kunde den Laden betritt und genau die gleiche Frage stellt, muss ich dann doch mal loswerden, dass ich diese Bettelei nicht als wirklich nett empfinde. Im weiteren Gespräch stellt sich heraus, dass die Menschen es hier gewohnt sind, dass besonders Europäer und Amerikaner immer “etwas” mitbringen. Die Missionare haben damit angefangen und setzen es bis heute hin fort. Es gibt unglaublich viele Missionen in Sambia. Dann kam die Entwicklungshilfe und so weiter… Die Menschen sind es also gewohnt, dass Fremde etwas mitbringen. Sie erwarten es. Sie fordern es. Sie denken, dass sie ein Recht/einen Anspruch darauf haben. So wie gerade jetzt im Bäckerladen. Ich erkläre, dass ich gerne als Mensch und nicht als Geldautomat gesehen werden möchte. Durch meinen Einkauf hier im Laden unterstütze ich ja bereits eine Einheimische. Man wirkt verständig und begrüßt mich noch einmal. Heißt mich nun herzlich in Sambia willkommen.
Hinzuzufügen ist, dass es sich nicht, wie vielleicht jetzt in vielen Köpfen gedacht, um ein ärmliches Geschäft handelt. Ganz im Gegenteil. Dieser Bäckerladen ist mit einem deutschen Bäcker vergleichbar, in denen Sonntag morgens Kaffee und süße Stückchen verzehrt werden (in Sambia mit nicht so viel Auswahl an Kuchen ). Der Herr, der die erste Frage stellte, sitzt am Tisch und isst einen Muffin. Er ist gut gekleidet. Der zweite Mann trägt einen Anzug. Alle beide können sich die Cup Cakes ohne Probleme leisten. Die Bedienung ist geschminkt, hat mehrere Ohrringe und Piercings, tolle Haare und trägt modische Kleidung, wie ich sie nicht besitze.
Ja, Sambia ist ein armes Land –wenn man das Unvermögen am Konsum mangels Cash teilzunehmen als arm beschreibt- (es gibt aber auch sehr viele Reiche) und es ist auch ein fruchtbares Land. Wir sehen Mangobäume, Papaya, Bananen, Ananas etc. Es herrscht einseitige Ernährung unter der Landbevölkerung sagt man uns, die sich wenn gerade keine Früchte reif sind oft nur mit Kasava ernährt, doch ich glaube nicht, dass hier Hunger gelitten wird. Und selbst wenn, dann hätte ich für die Betteleien der Hungrigen Verständnis, aber nicht für das, was mir eben im Bäckerladen passiert ist.
Das nur mal so als Gedanke zur Entwicklungshilfe und Co… Wer gibt uns eigentlich das Recht unsere Denk- und Lebensweise anderen Kulturen aufdrängen zu wollen? Vielleicht sollte man sich die jeweiligen Völker in ihrem Tempo und in ihrer eigenen Weise entwickeln lassen. Ich weiß, dass es vielen Menschen in Afrika sehr viel schlechter geht als uns, ABER… Ist es wirklich sinnvoll z.B. Moskitonetze auszuteilen, die dann zweckentfremdet zum Fischen benutzt werden? Die Maschen erfassen auch den kleinsten Fisch und der Nachwuchs an Fischen bleibt auf lange Sicht aus. Der Sinn von Moskitonetzen kennt man hier natürlich auch, aber man ist schon immer ohne klar gekommen und somit benutzt man es halt für etwas “Sinnvolleres”. Viele andere Beispiele könnte ich aufzählen. Ganz zu schweigen von korrupten und skrupellosen Politikern, die sich das meiste Geld selbst in die Tasche stecken. Und ob es sinnvoll ist die Spendengelder in teure Autos für die Mitarbeiter zu stecken, die damit dann bei der ärmeren Bevölkerungsschicht vorfährt, stelle ich auch mal in Frage. Nicht nur, weil ich Lehrerin bin, denke ich dass Hilfe im schulischen Bereich durchaus sinnvoll ist. (Wenn man denn schon helfen will… Wir haben uns wohl auch schon zu sehr eingemischt, um jetzt einfach nichts mehr zu tun.) Allerdings reicht es nicht, nur Schulgebäude zu bauen. Wichtig wären gute Lehrer!!! Lehrer, die nicht wie uns von einer Betroffenen in Nambia erzählt wurde, ihre Schülerinnen (sie war da ganz und gar nicht die einzige) vergewaltigen.
Nochmal zurück zum Bäckerladen: Ich kaufe Brot, Cup Cakes und möchte Pies kaufen. Letztere müssen in der Mikrowelle warm gemacht werden. Die Bedienung drückt auf den Knopf. Ich warte. Sie dreht am Knopf, es macht “bing” und ich denke die Pies sind heiß. Nein. Sie bückt sich. Steckt den Stecker in die Steckdose. Drückt wieder den Knopf. Ich warte. Sie dreht wieder am Drehknopf. Bing. Doch die Pies werden nicht aus der Mikrowelle genommen. Knopf drücken. Wieder drei Minuten warten. “Sorry. The microwave doesn t work.” Dann gibt es wohl keine Pies, denn die schmecken nur warm.
Wir machen uns auf den Weg, vorbei an Bienenkörben.
Bis Manyinga ist die Straße geteert. Ab da sind es 220 km dirt road bis Mwinilunga. Und die ist in einem furchtbaren Zustand… Wir schaffen heute nur noch 40 km. Arbeiten uns von Schlagloch zu Schlagloch. Wir sehen, dass sich in der Regenzeit hier viele festgefahren haben und mit dem Unterlegen von Ästen und Steinen versucht haben, sich aus dem Schlammloch heraus zu wühlen. Zum Glück sind die nächsten 20 km sehr gut. Dann wechselt der Straßenzustand wieder, wird aber nie wieder so schlimm wie die ersten 40 km. Als es so ab der Mitte der Strecke bergauf bergab geht wird die Piste sehr eng und ausgewaschen. Wir übernachten also noch einmal, diesmal in einem besiedelteren Stück der Strecke.
Zunächst denken wir, dass dieser Platz (die letzten sechs Bilder) ein verlassener Ort ist. Bei näherer Betrachtung habe ich die Vermutung, dass es sich eher um einen heiligen Ort handelt, an dem z.B. Beschneidungsrituale durchgeführt werden. Mich wundert es nur, dass ein solcher Ort so nahe bei der Straße liegen soll. Erwachsene besuchen uns nicht. Dafür Kinder, die mit Sicherheit noch nie Kontakt mit Touristen hatten. Sie rennen zunächst vor uns weg, als ich die Kamera aus dem Auto hole. Einen Mutigen gibt es aber immer und die Neugierde der anderen ist dann stärker, als die Angst. Wir haben riesigen Spaß, weil sie immer übermütiger beim Fotografieren werden. Beim Anschauen der Bilder lachen sie sich kaputt. Gerne würden wir ihnen die Fotos ausdrucken. Leider haben wir keinen Drucker. Schade ist auch, dass sie kein Englisch sprechen. Gerne hätten wir ihnen Löcher in den Bauch gefragt. Nach der Fotosession sitzen sie auf dem Boden und bestaunen unser Auto. Mit den Augen entdecken sie wohl ganz viel und unterhalten sich darüber. Flüsternd. Echt süß. Sie bleiben bis Einbruch der Dunkelheit.
Nach einer ruhigen Nacht sind die Kinder am nächsten Morgen wieder da. Wir glauben, dass sie ein bisschen enttäuscht sind, dass wir jetzt schon weiter fahren. Uns fällt es richtig schwer, diesen lieben Kindern nichts zu geben. Sie könnten so gut Stifte und vieles mehr gebrauchen. Doch damit würden wir das Betteln fördern, den Kindern wäre nachhaltig nicht geholfen und sie würden ihre Neugierde auf Fremde mit einer Erwartungshaltung verknüpfen, was schade wäre. Wir würden den gleichen Fehler machen, wie die übergestülpte “Hilfe” der sogenannten 1. Welt. Es fällt wirklich schwer nichts zu geben. Wir geben gerne, und dann auch im Verhältnis mehr, wenn es sich um ein Tausch o.ä. handelt. Alles andere fördert lediglich die Bettelei, die dann in Abhängigkeit und somit Unselbständigkeit führt.
Durch unsere jahrelange Reise in Afrika hat sich unsere Einstellung zu diesen Dingen geändert. Wir sehen die Sache kritischer und können auch “hinter die Kulissen” blicken. Einiges ist durchaus gelungen, wie z.B. Schulgebäude und Krankenhäuser (wobei hier viele renovierungsbedürftig sind und qualifiziertes Personal fehlt) sowie Handpumpbrunnen (Wasserhähne und durch Pumpen betriebene Brunnen sind Geldverschwendung, da die Pumpe und der Wasserhahn gestohlen werden und falls nicht, die Pumpe nicht repariert werden kann. Entweder weil das know how oder die Ersatzteile fehlen). Schwieriges Thema, das ich hier im Blog auch lediglich anreißen kann.
Winkend fahren wir davon und ein Stückchen rennen die Kinder uns noch nach… Diese Kinder verdienen eine gute Zukunft.