18.08.2017
Simbabwe ist ein Land im Ausnahmezustand. Die Wirtschaft ist nahezu kollabiert. Vor 8 Jahren herrschte eine Hyperinflation von von zuletzt über 230 Millionen %, welche im selben Ausmaß in Kürze von der Bevölkerung wieder erwartet wird. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 95-98 %. Trotzdem begegnen uns die Simbabwer mit einer unglaublichen Ruhe und freundlichen Gelassenheit, die für uns nicht erklärbar ist. Egal, ob Schwarz oder Weiß, alle ertragen sie die ständigen Erniedrigungen und Rückschläge des Alltags und verstehen es immer einen Weg zu finden, um zu überleben.
Immer wieder unterhalten wir uns über die politische Lage. Es ist ganz klar. “Der alte Mann muss weg. He is like dead wood. No new ideas.” So die mehrheitliche Meinung. Doch fast kaum einer spricht es so direkt aus. Die Menschen haben Angst, dass sie bei Protest mundtot gemacht werden. Die Handbewegung entlang der Gurgel ist eindeutig. Also schweigt und hofft man und stellt sein Leben eben so um, dass es einigermaßen passt.
Im nächsten Jahr stellt sich der 93jährige Mugabe erneut zur Präsidentschaftswahl… Anfänglich (in den frühen 1980ern) war er beim Land beliebt und das Land florierte. Simbabwe wurde zum größten Getreide- und Tabakproduzenten Afrikas und hatte die niedrigste Analphabetenrate ganz Afrikas. Schulbildung und für Arme eine kostenlose Gesundheitsversorgung waren Grundpfeiler Mugabes Politik. Zwei Dürreperioden (1982 und die Jahrhundertdürre 1991/92) sowie der wechselnde Führungsstil zur diktatorischen Richtung, begründeten die Talfahrt des Landes, welche im Jahr 2000 einen traurigen Höhepunkt erreichte. Ca. 11.000.000 Hektar Land weißer simbabwischer Farmer wurden gewaltsam enteignet und neu verteilt (meist an Menschen, die von Landwirtschaft nicht wirklich Ahnung hatten). Man muss wissen, dass die Farmer zig Arbeitsstellen bieten und dass mit jeder Arbeitsstelle 3-4 Familienmitglieder ernährt werden. Insgesamt waren ca. 300.000 schwarze Simbabwer auf Farmen angestellt, die insgesamt ca. 1 Millionen Menschen ernährten. Leidtragende der Farmvertreiber waren ganz klar ganz besonders diese Menschen. Kurz darauf stürzte nicht nur der Agrarmarkt sondern das gesamte Land in eine tiefe Krise, welche mit Auf und Ab`s immer noch besteht.
Am 24.09.2017, nachdem wir uns schon 5 Wochen im Land befinden, stürzt Simbabwe erneut in eine Krise (siehe späteren Bericht).
Zwei wahre Geschichten, ohne Namen nennen zu wollen:
Ein älteres Ehepaar (beide Lehrer) erzählen, dass sie 2008 und 2009 keine Bezahlung erhalten haben. Sie quittierte daraufhin ihren Job und versucht seit dem anderweitig Geld ins Haus zu bringen. Zunächst arbeitete sie an einem Projekt, das jedoch nach vier Jahren beendet war. Seitdem versucht sie mit Honig, dem Mahlen von Mais und bald auch mit einer kleinen Bananenplantage ein wenig Bargeld zu verdienen. Bargeld-auch so ein Thema. Dazu später mehr.
Er ist immer noch als Lehrer angestellt, wird aber in ein paar Jahren pensioniert. “Ja, in Simbabwe gibt es eine Rente”, sagt er, “aber es ist kein Geld im Land. Ein Freund von mir wartet seit 3 Jahren (seit er in Rente ging) auf die Zahlung seiner Pension.”
Da will er lieber anderweitig vorsorgen bzw. stellt sein Leben lieber so um, dass er noch glücklich leben kann. Das bedeutet für die beiden, dass sie ihr Wasser aus dem Fluss in Kanistern zu ihrem Haus mit dem Pickup transportieren. Sie im Fluss die Wäsche wäscht und der Strom für das Licht von einer! Solarlampe kommt. Gekocht wird auf einem kleinen Gaskocher. Die Rechnungen für Strom und Wasser können die beiden einfach nicht mehr bezahlen. Sie müssen das Geld sparen und dazu verdienen wo es nur irgendwie geht.
Eine Geschäftsfrau, die ein Polstereigeschäft führt erzählt, dass sie gerne weiterhin legal Geschäfte machen möchte, doch dass es einem sehr schwer gemacht wird. Früher wurde Baumwolle in Simbabwe hergestellt und sie konnte die Stoffe im Land ohne Probleme kaufen. Da die Wirtschaft Simbabwes ziemlich am Boden ist und eben kein Geld vorhanden ist hat die Regierung eine Liste der erlaubten zu importierenden Güter ausgegeben. Stoff findet man in der Hierarchie im unteren Viertel der Liste. Sie hat eine Eingabe bei ihrer Bank gemacht und wartet seit acht Monaten auf Bestätigung bzw. eine Antwort. Die wird aber nicht kommen, da ist sie sich sicher.
Also wird ein sogenannter “Runner” organisiert, der nach Südafrika fährt, um alles Nötige illegal zu besorgen. Der findet seinen Weg zurück über die Grenze (was Geld kostet, denn er muss jemanden schmieren) und will selbst natürlich auch bezahlt werden. Sprit ist auch nicht wirklich billig in Simbabwe und so ist das Besorgen der Dinge, um weiterarbeiten zu können nicht gerade billig. Schwierig wird es jetzt mit den Büchern. Die Buchung der Einnahmen ist kein Problem. Aber wo sind die Ausgaben verzeichnet? Die waren ja illegal…
Sie hat Angst vor Inflation und dem Crash der Währung wie schon in 2008. Damals hat keiner mehr gearbeitet. Jeder war mit dem Tauschhandel beschäftigt. “Ich habe 2 kg Zucker, brauche Benzin.” Den ganzen Tag hing man am Telefon und verhandelte…
Ein zweites Mal würde sie das nervlich nicht mehr aushalten, meint sie.
Wenn man risikofreudig ist, kann man in diesem Land viel Geld machen, meint sie noch. Sehr viel Geld. Wer jedoch konservativ ist der bleibt sicher arm bzw. wird noch ärmer.
Bargeld und Banken:
Geldnoten bei der ersten Krise (3 Monate Gültigkeit ab Druckdatum):
Die derzeitigen Bond Noten und Münzen:
Da die Banken kein oder nur sehr begrenzt und selten (täglich max. 40 US $, der US $ ist seit 2009 offizielle Währung in Simbabwe) auszahlen ist man gezwungen mit Kreditkarte zu bezahlen. “We swipe”, heißt es da. Wer keine Karte besitzt muss sich mit Ecocash behelfen. Das sieht dann so aus, dass am Supermarkt an der Kasse erst einmal eine 10stellige Nummer gespickt mit * und # in das Handy eingetippt wird. Dann wird gewartet, denn es dauert bis die Computer mit einander kommuniziert haben. Es kann dann passieren, dass das nicht funktioniert. Dann werden 3 Zettel ausgedruckt, der Kunde schreibt etwas auf die Rückseite, unterzeichnet und geht. Umständlich, aber ok…. Das könnte man noch tolerieren. Richtig gemein und die Not der Menschen ausgenutzt ist allerdings, dass Ecocash bis zu 20% Gebühr abkassiert. Man muss sich vorstellen, dass 99% aller Geldgeschäfte (Auch Lohnzahlungen) im Land über Ecocash laufen und diese je nach Höhe 10% bis 20% davon einbehalten! Unvorstellbare Summen werden da jeden Tag eingenommen!
Es ist wenig Bargeld in Umlauf, da jeder die harte Währung hortet. Auch im Umlauf sind die sog. Simbabwe Bond Noten. Spielgeld. Nix wert im Ausland. Hier in Simbabwe aber ist der Wechselkurs 1 zu 1 zum US $.
Ich sehe zu, dass ich dieses Geld immer so schnell wie möglich wieder loswerde, falls es über Nacht nichts mehr wert sein sollte.
Im Supermarkt fragt mich eine Angestellt höflich: “Is there any chance that you´ll pay cash today?” Verdutzt schaue ich sie an und sage: “Yes.” Sie möchte mein Bargeld haben und dafür mit ihrer Karte für mich an der Kasse bezahlen. Kein Problem für mich. 27,87 Dollar. Ich frage sie, wie wir das mit dem Wechselgeld machen. Sie meint, kein Problem, möchte dass ich noch einen kleinen Schokoriegel für 30 Cent kaufe. Auch kein Problem. Ich gebe ihr 30 Dollar und sie gibt mir 2 Dollar zurück.
Der Deal war für die Dame um rund 200% billiger, als auf dem Schwarzmarkt Bond Noten gegen US $ umzutauschen. Für 100 US $ zahlt man 120 Bond.
Da sieht man, wie verzweifelt die Jagd auf Bares ist.
Dies alles erzählt man uns immer mit einem Lächeln im Gesicht. Man ist trotzdem gut gelaunt, verzweifelt nicht an dieser Lage. Auch oder gerade weil man das schon durchgemacht hat. Man hat es überlebt und genießt das Leben. Egal ob da “einer” kommt und einem alles nimmt, was man besitzt. Wir können so viel lernen von diesen liebenswerten Menschen.
(Geschrieben hatte ich diesen Bericht später, dachte aber, dass er sich am Anfang gut macht. Dann kann man Vieles vielleicht anders einordnen…)