20.2.2020
Gleichberechtigung wie wir sie kennen, gibt es in Saudi Arabien noch nicht. Die Emanzipation wurde erst vor wenigen Jahren ins Rollen gebracht und braucht Zeit. Die Männer waren bislang die Alleinversorger der kompletten Familie, die aus bis zu 4 Ehefrauen und etlichen Kindern bestehen kann. Die Frau kann sich entspannt zurück lehnen. Ihre Aufgaben beziehen sich auf das Haus und Kindererziehung. Selbst das Einkaufen wird vom Mann übernommen.
Grund für die Öffnung des islamischen Staates?
Prinz Muhammad bin Salman verordnet dem Land einen Wandel von oben. Er braucht die Frauen für sein Programm 2030. Bisher setzte das Land auf Öl. Der Monarch bedachte seine Untertanen mit großzügigen Zuwendungen. Doch da wurde der Rotstift angesetzt. Das Leben wird für den kleinen Mann teurer. Die Frauen werden als Arbeitskräfte gebraucht, um den Strukturwandel zu ermöglichen. Das Land braucht Geld, weil es sich auf seine Ressourcen nicht mehr alleinig verlassen möchte.
Wir haben uns mit zwei 19 jährigen jungen Männern unterhalten, die sich darüber beklagten, dass alles so sehr viel teurer geworden ist. Einer der Jungs findet die neuen Rechte der Frauen nicht besonders prickelnd. Er liebt die traditionelle Lebensweise. Ein Mitte 40jähriger sagt mir, dass ich die Abaya nicht zu tragen bräuchte. Ja, die Männer würden schauen, weil es ein ungewohntes Bild ist, aber das sei auch schon.
Die Andersartigkeit stimmt nachdenklich. Hier einer von vielen Artikeln zum Thema, die im Internet zu finden sind:
Zitat aus der Zeitschrift Emma (2017):
„Vor nicht allzu langer Zeit, da lebten die Menschen hier noch in Lehmhütten, wir hatten noch Sklaven“, sagt die Prinzessin. Sie erinnert an den puritanischen, wahhabitischen Staatsislam und die erzkonservativen Religionsgelehrten, die die saudische Gesellschaft – allen voran die Frauen – in ein enges Korsett eingeschnürt haben.
Offen, selbstbewusst, modern, ohne die eigenen Traditionen und die eigene Identität aufzugeben – so soll Saudi-Arabien nach den Strategiepapieren seiner Führung in einigen Jahren aussehen. Die Agenda 2030 soll das erzkonservative Königreich öffnen, unabhängig vom Ölgeschäft und damit zukunftsfähig machen. Die gesellschaftlichen Zwänge sollen ebenso abnehmen wie die üppigen Zuwendungen des Staates an die Bevölkerung.
Auch der Druck auf die Frauen ist geringer geworden. Im Juni wurde das Fahrverbot für Frauen aufgehoben. Zugleich wurde ein Gesetz erlassen, das sie vor Belästigung schützt, was viele als mindestens genauso wichtig loben.
In der Küstenstadt Dschiddah, die seit jeher als der fortschrittlichste Ort im Königreich gilt, weicht die strikte Geschlechtertrennung in den Cafés und Restaurants zögerlich auf, manche Frau wagt sich sogar ohne Kopftuch auf die Straße. Und selbst jenes Bollwerk ist gefallen, das den saudischen Frauen bisher den Weg aus dem Status der Zweitklassigkeit verstellte: das Gesetz, nach dem jede Frau die Erlaubnis eines männlichen Vormunds braucht, wenn sie zum Beispiel studieren oder ins Ausland reisen will. Frauen über 21 Jahren dürfen nun ohne ihren männlichen Vormund einen Pass beantragen und sogar ohne seine Erlaubnis einholen zu müssen, ins Ausland reisen. Eine Kehrtwende: Noch vor knapp einem Jahr hatte die Saudische Regierung eine App zur Verfügung gestellt, die es dem Vormund meldete, sollte die Frau unerlaubt das Land verlassen wollen.
Die Aufhebung des Fahrverbots, heißt es immer wieder, sei noch das geringste Problem. „Die Menschen sind verunsichert“, sagt ein älterer Herr in einer Moschee in Riad. In seiner Welt bleibt er der Gebieter über die Frauen, die allein im Haushalt arbeiten sollen. Dass daran auch kein Kronprinz etwas ändern werde, fasst er in den Satz: „Ich bin nur meinem Schöpfer gegenüber verantwortlich.“ Es gibt viele, die denken und fühlen wie er.
Wie gespalten das Land ist, zeigt sich in Orten wie Buraida. Es ist eine konservative Stadt, wo der Wandel weniger sichtbar ist. Dort halten sich die gesellschaftlichen Zwänge und die alten Rollenbilder beharrlicher, weil es mindestens genauso wichtig ist, was der Nachbar denkt, wie das, was der Staat vorschreibt oder nicht mehr verbietet. Dort schauen die Leute argwöhnisch auf die Entwicklungen in Riad oder Dschiddah. Dort zeigen sich die Männer entschlossen, ihre Familien vor den Reformen abzuschirmen. So manche Mutter sähe ihre Tochter ebenfalls lieber verheiratet als erfolgreich im Beruf.
Doch ganz aufhalten lässt sich der Wandel auch in Orten wie Buraida nicht. Schon deshalb, weil die gestrichenen Zuwendungen des Staates die Männer dazu zwingen, Frauen und Töchter das Arbeiten zu erlauben, um das Familieneinkommen aufzubessern. „Das verändert die Verhältnisse in den Familien“, sagt ein örtlicher Funktionär.”